Sicherer Hafen in turbulenten Zeiten“ – Mitbestimmungsmesse der TBS Rheinland-Pfalz 2022

„Mitbestimmung – Sicherer Hafen in turbulenten Zeiten“: Unter diesem Motto fand vom 21. bis 22. September 2022 die sechste Mitbestimmungsmesse der TBS Rheinland-Pfalz gGmbH statt. In der Halle 45 in Mainz fanden sich dazu an den beiden Tagen auf 4.365m² 77 Aussteller:innen und knapp 950 Besucher:innen ein. Die Messe richtete sich wie immer in erster Linie an Betriebs- und Personalräte, Mitarbeiter- und Schwerbehindertenvertretungen sowie weitere betriebliche Interessenvertretungen. Auch in diesem Jahr wieder bot sie die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch, der Fort- und Weiterbildung, der politischen Bildung sowie der Vernetzung der teilnehmenden Akteur:innen.

„Sicherer Hafen“ – Mehr als ein Motto

In diesem Jahr hat die TBS bei der Planung und Ausrichtung der Messe hohen Wert auf den Austausch und die Vernetzung unterschiedlicher Akteure aus Wirtschaft und Politik gesetzt. Wir haben das Gefühl, und dies wurde uns wiederholt von Teilnehmenden bestätigt, dass ein Austausch untereinander in diesen stürmischen Zeiten als sehr gewinnbringend wahrgenommen wird. Es wurden neue und gewichtige Impulse für die weitere Gremienarbeit mitgenommen und zahlreiche neue Kontakte geknüpft. Teilweise kam mitunter die Rückmeldung, die beiden Messetage hätten sogar nicht ausgereicht, um mit allen Ausstellern ins Gespräch zu kommen.

Claudia Grässle, Geschäftsführerin der TBS, richtet ein besonderes Augenmerk auf das Motto der diesjährigen Messe und hebt dabei die Bedeutung von Mitbestimmung gerade in turbulenten Zeiten hervor: „Die vergangenen Monate haben in den Betrieben und Dienststellen viel Veränderung gebracht. Durch die Pandemie sehen sie sich mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert. Nun spüren sie zusätzlich die Folgen der Rezession und des fürchterlichen Krieges in der Ukraine. Parallel laufen Transformationsprozesse, die sowohl Chancen als auch Risiken bergen. So oder so: Sie stellen freilich neue Anforderungen an Unternehmen und Unternehmensleitungen, aber eben auch an deren Beschäftigte und ihre Interessenvertretungen. Betriebs- und Personalräte haben die Aufgabe, diese Veränderungen im Interesse der Beschäftigten mitzugestalten und dabei auch Beschäftigung zu sichern. Die ‚turbulenten Zeiten‘, in denen wir uns bewegen, haben einmal mehr gezeigt, wie bedeutsam Mitbestimmung ist, um Arbeitsbedingungen sozial, fair und nachhaltig zu gestalten.“

Landespolitik stark vertreten

Eingerahmt wurde die Mitbestimmungsmesse durch die rheinland-pfälzische Landespolitik. Für Vertreter:innen der rheinland-pfälzischen Landesregierung und Abgeordnete des Landtages Rheinland-Pfalz stellt die TBS Mitbestimmungsmesse längst eine feste Institution zum Austausch und zur Information dar. Sowohl die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer als auch Alexander Schweitzer, Landesminister für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung nahmen sich viel Zeit, um die Bedürfnisse der Arbeitnehmervertretungen anzuhören und mitzunehmen.

Bereits am ersten Tag sprach Ministerpräsidentin Malu Dreyer ein Grußwort und besuchte im Anschluss gemeinsam mit Susanne Wingerstzahn, Vorsitzende des DGB Rheinland-Pfalz / Saarland und Claudia Grässle alle Aussteller, um Anliegen entgegenzunehmen und die Situation von Unternehmen und Beschäftigten vor Ort zu erörtern. „Das war ein tolles Erlebnis. Sie nahm sich viel Zeit für uns, hat aktiv zugehört und man fühlte seine eigene Arbeit gerade in der jetzigen Lage wertgeschätzt und erstgenommen“, so einer der Aussteller im Nachgang.

In Dreyers Grußwort ging sie auf mehrere aktuelle Krisen und Herausforderungen im Land und deren Auswirkungen auf die Beschäftigung ein. Wichtig für die Bewältigung der Energiekrise seien so u. a. das Entlastungspaket des Bundes sowie Anstrengungen der Industrie, im Verkehrssektor und auch der Landesregierung. Letztere strebe dabei eine Energieeinsparung von 15% an, so Dreyer. Neben Einsparungen seien jedoch auch die Effizienz und Konsistenz von Rohstoffen und Energie von Interesse. Um diesen Wandel gemeinsam zu erreichen, sei daher eine Energieträgerumstellung von Nöten. Für solche und andere Projekte gebe es zudem viele noch ungenutzte Fördermittel für Unternehmen. Malu Dreyer dankte der TBS schließlich für ihre wichtige Arbeit und warb bei den Arbeitnehmervertretungen dafür, sich bei der Transformation von der TBS beraten und unterstützen zu lassen.

An beiden Messetagen waren auch einige Landtagsabgeordnete zugegen und tauschten sich dabei intensiv mit den Arbeitnehmervertretungen und Gewerkschaften aus.

Am zweiten Messetag wurde die Landesregierung von Alexander Schweitzer vertreten. Nach seinem Grußwort nahm er sich den gesamten Vormittag Zeit, um ebenfalls einen Messerundgang durchzuführen und bei der sich anschließenden Podiumsdiskussion Rede und Antwort zu stehen. Insbesondere die Themen seines Ministeriums Arbeit, Transformation und Digitalisierung spielten dabei eine wichtige Rolle.

Podiumsdiskussion: Der Spagat zwischen Tarifpolitik und wirtschaftlichen Herausforderungen in stürmischen Zeiten

Nach dem Messerundgang folgte eine Podiumsdiskussion an der neben Arbeitsminister Alexander Schweitzer auch die DGB Vorsitzende Susanne Wingertszahn, Jörg Köhlinger, Bezirksleiter der IG Metall Bezirk Mitte, Roland Strasser, Landesbezirksleiter der IG BCE Rheinland-Pfalz/Saarland und Michael Blug, Landesbezirksleiter von ver.di Rheinland-Pfalz-Saarland teilnahmen. Moderiert wurde die Veranstaltung von Claudia Grässle.

Im Fokus standen die Transformation und die anstehenden Herausforderungen der Energie- und Coronakrise verbunden mit Lieferengpässen und Preissteigerungen, die Tarifpolitik und der Fachkräftemangel. Es wurde über Herausforderungen und Chancen für Unternehmen und Behörden in Rheinland-Pfalz und über Lösungsansätze diskutiert, um diese Veränderungen beschäftigungswirksam und standortsicher zu meistern.

Alexander Schweitzer betonte in seinen Statements vermehrt die Wichtigkeit der Aus- und Weiterbildung sowie der Qualifizierung der Beschäftigten, um die anstehenden Herausforderungen zu bewältigen. „Mein Eindruck ist, dass wir beim Thema Fachkräftemangel und Ausbildung lange nicht am Ende unserer Möglichkeiten angelangt sind, was Politik aber auch die Unternehmen leisten könnten. Unsere Fachkräftestrategie ist dabei lediglich ein Mosaikstein. Wir unterstützen die Unternehmen überall dort, wo sie Support benötigen. In Betrieben mit aktiver Mitbestimmung geht das erfahrungsgemäß deutlich einfacher“, so der Minister.

Dem pflichtete auch Michael Blug bei. Auch ver.di sehe beim Fachkräftemangel große Herausforderungen in turbulenten Zeiten. Von zentraler Bedeutung aus Sicht von ver.di sei dabei auch die Erhöhung der Frauenerwerbsquote. „Hier müssen die Arbeitgeber vor allem in Bezug auf den Wiedereinstieg für Frauen sowie der Vereinbarkeit von Arbeit und Familie deutlich mehr tun“, forderte Blug. Weitergehend konstatierte er: „Wir brauchen für sozialökologische Veränderungen viel Geld. Geld ist genug da, es ist nur ungerecht verteilt!“.

Susanne Wingertszahn hob insbesondere die Wichtigkeit von Tarifverträgen und der Tarifbindung vor. Sie verwies jedoch auch darauf, dass die aktuellen Preisentwicklungen nicht ausschließlich über Tarifentwicklungen abgefangen werden könnten. „Weitere Entlastungspakete müssen soziale Härten abfangen“, so Wingertszahn. Beispielhaft nannte sie einen Strompreisdeckel, einen Energiepreisdeckel, die Abfederung des Kaufpreisverlustes, staatliche Unterstützung von Unternehmen am innerdeutschen Industriestandort und die stärkere Beteiligung von Vermögenden.

Jörg Köhlinger ergänzte: „Wir müssen unser Konsum-, Wirtschafts- und Arbeitsmodell so überarbeiten, dass wir alle eine gute Zukunft haben können. Wir haben die technologischen Instrumente dafür, jetzt müssen auch ganz maßgeblich die Gewerkschaften dafür sorgen, dass der entsprechende ökonomisch-soziale und rechtliche Rahmen geschaffen wird, dazu brauchen wir auch politische Unterstützung.“

Auch Roland Strasser verwies auf die Wichtigkeit der Mitbestimmungsgremien. Bezogen auf die Lieferengpässe bei Energie und Rohstoffen folgerte er: „Es muss uns klar sein, dass der Weg der grenzenlosen Globalisierung vorbei ist. Wir müssen die Resilienz erhöhen.“ Er berichtete von drastischen Engpässen in Chemiebetrieben und dem daraus resultierenden Spagat zwischen wirtschaftlicher Herausforderungen und der Tarifpolitik „Die Auftragsbücher sind voll, aber hohe Kosten und die Nichtverfügbarkeit von Rohstoffen bedeuten Produktionsengpässe. Da ist nun also ein Spagat notwendig dies einerseits zur Kenntnis zu nehmen und andererseits tabellenwirksame Entgelterhöhungen zu erreichen.“

In ihren Schlussstatements waren sich alle Diskutanten einig, dass Arbeitnehmervertretungen und Gewerkschaften mit der Unterstützung der Politik den sozial-ökologischen Wandel mitgestalten können und müssen und sich die Unternehmen und Behörden ihrer Verantwortung bewusster werden müssen.

Weitere Highlights der Mitbestimmungsmesse

Vielfältige Informations-, Bildungs- und Qualifizierungsangebote der TBS, des DGBs, der Mitgliedsgewerkschaften sowie der Agentur für Arbeit rundeten das umfangreiche Messeprogramm ab. So fanden u. a. Veranstaltungen zur Betriebsratsorganisation, zum Krisenmanagement, zur Arbeitszeit, Mobiler Arbeit und dem Datenschutz, Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz statt. Zudem konnten die Berater:innen der TBS an beiden Messetagen in Gesprächen mit Akteuren aus den Betrieben wichtige Impulse und Hinweise geben. Um auch bei den nächsten Messen demografiesicher zu sein konnte im Rahmen einer freiwillig durchgeführten Demografieanalyse der Messeteilnehmenden gezeigt werden, dass alle Arbeitnehmervertreter:innen dafür sorgen sollten, jüngere Kolleg:innen zu motivieren und zu begeistern, um so der Mitbestimmung auch in Zukunft eine gute Basis zu geben.

Die TBS dankt allen Organisator:innen, Teilnehmenden, Aussteller:innen, Diskussionsteilnehmenden und landespolitischen Vertreter:innen und hofft auf der Mitbestimmungsmesse einen sicheren Hafen in turbulenten Zeiten geboten zu haben.